Die Corona-Krise hat den Werkzeugmaschinenbau stark beeinträchtigt, wobei bereits zuvor wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und ein Konjunkturabschwung die Unternehmen belasteten. Trotz dieser Herausforderungen bietet die Situation auch die Möglichkeit, sich neu zu erfinden und den zukünftigen Trends zu widmen. Prof. Christian Brecher enthüllt im Gespräch mit FERTIGUNG, welche Themen die Branche der Werkzeugmaschinen derzeit bewegen und wie die Forschung in diesen Bereichen unterstützt wird.
Die fehlende schnelle Reaktionszeit der industriellen Produktion auf globale Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie stellt eine ernste Bedrohung für die exportorientierte Werkzeugmaschinenbranche in Deutschland dar. Themen wie Domestic Sourcing gewinnen an Bedeutung, um eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen. Brecher betont, dass ein Paradigmenwechsel in der Rolle der Branche im Wirtschaftssystem erforderlich ist – weg vom bloßen Bereitstellen von Produktionshardware hin zum kontinuierlichen Lösen von Fertigungsherausforderungen.
Domestic Sourcing
Teilweise wird der Begriff Domestic Sourcing gleichbedeutend verwendet und meint diesfalls Bezug im Inland. Dies kann sich einerseits auf den Heimatmarkt des Unternehmens beziehen. Andererseits kann es sich um Beschaffung im jeweiligen nationalen/regionalen Absatzmarkt eines multinationalen Unternehmens handeln.
In den letzten Jahren haben viele mittelständische Unternehmen, die einen Großteil der Werkzeugmaschinenbranche ausmachen, Schwierigkeiten gehabt, Digitalisierungslösungen auf dem Markt zu platzieren. Die Zusammenarbeit mit externen Unternehmen, die auf digitale Lösungen spezialisiert sind, bietet Potenziale für eine vernetzte Produktion im Kontext von Industrie 4.0. Die Integration der Schnittstelle umati für die Werkzeugmaschinenbranche seit 2017 zeigt klare Fortschritte in Richtung standardisierter Vernetzung.
Der Datenaustausch ist ein fundamentaler Aspekt der Digitalisierung, reicht jedoch allein nicht aus. Brecher prognostiziert, dass die gewinnbringende Nutzung von Daten direkt aus der Produktion in Zukunft ein zentrales Thema für produzierende Unternehmen sein wird. Die Branche wird sich der Frage stellen müssen, inwieweit sie die maschinenbasierte Infrastruktur für die Generierung von Daten für ihre Kunden realisieren kann. Die Idee ist, einen Mehrwert aus einer großen Datenmenge zu generieren, die direkt aus der Fertigung durch geeignete Sensorik entnommen wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Überwachung von systemkritischen Werkzeugmaschinenkomponenten, um prädiktive Instandhaltung zu ermöglichen und frühzeitige Komponentenausfälle zu reduzieren. Die Werkzeugmaschinen-Branche steht also vor der Herausforderung, sich an die neuen Anforderungen der Digitalisierung anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten bietet die Krise auch die Möglichkeit, die Branche zu transformieren und sich zukunftsweisenden Themen zu widmen.
Das gesamte Interview der Zeitschrift FERTIGUNG mit Prof. Christian Brecher lesen Sie hier.